HP 3561A Dynamic Signal Analyzer





Da ich normalerweise dafür bekannt bin, mich in den höherfrequenten Gefilden zu bewegen, war die Anschaffung eines Analyzers, welcher nur bis 100kHz geht, für manche eine Überraschung. Aber einen 3561A habe ich schon längere Zeit gesucht. Natürlich nicht primär für Audiomessungen, sondern z.B. zum Messen des Phasenrauschens bei HF Oszillatoren. Denn da misst man nicht auf der eigentlichen Frequenz, sondern auf einer ZF. Genau da wo es dann auf Messbandbreiten von 1Hz ankommt, hat der 3561A einen handfesten Vorteil. Und bevor jetzt wieder die Ersten daherkommen und sagen, eine Soundkarte hat doch viel mehr Dynamikbereich als die 80dB von dem Analyzer: Ja, hat sie. Schön. Das wars dann aber auch schon. Sie hat keine BNC Buchse, keine Schutzbeschaltung, geht nicht so weit runter und so weit rauf wie der 3561A, ist nicht kompatibel mit der Software die den 3048A Phasenrausch-Messplatz steuert (da gehört der Analyzer nämlich dazu) und sie ist kein unabhängiges Messgerät, was mir sehr wichtig ist. Kurz, sie hat abgesehen vom Dynamikbereich, den ich nicht größer als den vom 3561A brauche, ausschließlich Nachteile für mich. Darum, und weil ich so ein Fan von High-End Messgeräten bin, bevorzuge ich eben diesen Analyzer.


Aber nun zurück zum Gerät:

Ein klassischer Spektrumanalyzer ist quasi ein gesweepter Superhetempfänger mit Bildschirm. Ganz grob gesagt. Das heisst, er muss den gesamten zu messenden Frequenzbereich mit seinem Oszillator überstreichen. Je niedriger die Frequenzen bzw. je schmäler die Messbandbreiten werden, umso langsamer geht das vonstatten. Jetzt kann man sich vorstellen, wie lang so ein sweep dauert, wenn man irgendwo im einstelligen Hertz-Bereich herummisst.
Und genau da kommt jetzt die digitale Signalverarbeitung ins Spiel. Indem man das Signal schnell abtastet, wegspeichert und danach erst verarbeitet, kann man diesen Prozess wesentlich beschleunigen. Ein weiterer Vorteil ist, dass digital realisierte Filter und dergleichen immer exakt die gleichen Eigenschaften haben. Es spielt sich ja alles in der "idealen" Welt der Digitalelektronik ab. Bei einem gewöhnlichen Analyzer ist ja jeder Filter etwas anders, altert, driftet mit der Temperatur usw.

Diese Nachteile hat der 3561A nicht. Er tastet gleich nach der Eingangsschaltung (Abschwächer, Verstärker, A-Bewertungsfilter, etc) das Signal mit 256kS/s ab. Der ADC ist eine beeindruckende Konstruktion. Man bedenke, der Analyzer wurde so um 1983 entwickelt, da war die Bauteilauswahl etwas geringer. Ich finde das aber heute immer noch interessant, eine fertige "Black Box" kaufen kann man gleich mal, aber bei solchen Schaltungen sieht man noch richtig was da drin eigentlich vorgeht.
Der ADC hat eine Auflösung von 13bit. Er wandelt das Signal zuerst grob mit einem 8bit ADC, gibt dieses Datenwort dann auf einen DAC, dessen Spannung dann vom Eingangssignal abgezogen wird. Der "Rückstand" (darum wird er auch als "Residue Converter" bezeichnet), wird anschließend Verstärkt (von irgendwo muss die zusätzliche Auflösung ja kommen) und ebenfalls vom 8bit ADC gewandelt. Die Datenworte werden dann entsprechend geschoben und addiert.
Da ein ADC z.B. Nichtlinearitäten aufweist (der Ausgang ist ja stufig), würde dies zu Fehlern führen, sofern man keine Gegenmaßnahmen ergreift. Ein bekannter Trick ist z.B., auf eine diskrete Größe absichtlich ein Rauschen aufzubringen, welches die Stufen quasi "verschmiert" (Dithering). Dazu wird eine digitale PRN (Pseudozufall) Quelle mit verrechnet in der ADC steuerung. Über den DAC findet das Rauschen dann eleganterweise auch gleich seinen Weg in die analoge Welt, so dass man sich da eine zusätzliche Schaltung spart.

Nun liegen die Daten als Samples im Speicher vor. Angenommen, man jagt jetzt 1024 Samples mit einer Abtastfrequenz von 10kHz in die FFT, dann ist die höchste zulässige Signalfrequenz nach Nyquist genau die Hälfte davon, also 5kHz. Die Frequenzauflösung beträgt dann 10kHz/1024 = 9.76Hz (sagen wir mal ca. 10Hz, das schreibt sich leichter)
Wenn man jetzt aber z.B. 1Hz auflösen will, dann gibts es zwei Möglichkeiten. Man sampelt mehr Punkte oder man verringert die Abtastfrequenz der FFT. Ersteres dauert dann natürlich länger und die andere Variante verringert die maximale Signalfrequenz. Man ist also in einer unangenehmen Situation. Also griff man im 3561A auf das bekannte Konzept des Überlagerungsempfängers zurück. Dabei wird ein Eingangssignal in einem Mischer mit einer Lokaloszillatorfrequenz gemischt und somit auf eine andere, typischerweise tiefere (geht aber auch anders!) ZF umgesetzt. Auf dieser niedrigen ZF werden dann alle Verarbeitungsschritte durchgeführt.
In einem sogenannten NCO (numerically controlled oscillator) werden eine Sinus und eine Cosinusschwingung erzeugt. Die Sinustabelle ist da wirklich in zwei EPROMS gebrannt. Die Steuerlogik funktioniert nach dem DDS Prinzip. Das Phasenregister (da steht die Adresse des aktuellen Werts der Sinustabelle drin) wird pro Zyklus um einen einstellbaren Wert inkrementiert. Somit kann die NCO Frequenz auf fClock / (2^N) genau eingestellt werden, wobei N die Registerbreite in Bits ist. Diese digitalen Datenworte, welche ein Quadratursignal darstellen, werden nun mit den Eingangssamples multipliziert. Das Ergebnis ist dann ein komplexes ZF Signal in der digitalen Domäne.
Diese Daten gehen dann weiter auf zwei VLSI Filter-ASICs, einer für Reell (wo mit Cos gemischt wurde) und der andere für Imaginär (wo mit Sin gemischt wurde). Die Filter werden mit den jeweiligen Koeffizienten geladen und filtern somit das Signal. Im HP Journal 12/1984 schreiben die Entwickler, dass ein HP3000 Series 200 Computer damals einen Monat lang an den Koeffiziententabellen herumgerechnet und optimiert hat, bis die Designvorgaben erreicht waren.
Die gefilterten Daten werden danach via DMA (Direct Memory Acess, also Datenübertragung via Hardware ohne Zutun der CPU) in den FFT Speicher geladen. Die FFT Berechnung wird von einem TMS32010 von Texas Instruments durchgeführt. Einer der ersten Digitalen Signalprozessoren. So einer arbeitet übrigens auch im 8753A/B/C Netzwerkanalyzer von HP, den ich bei Zeiten vorstellen werde.
Wenn der TMS die Berechnung abgeschlossen hat, signalisiert er das der Haupt-CPU, welche natürlich ein MC68000 ist (meine Lieblingsarchitektur!), via Interrupt. Die holt dann die Daten ab.

Eine andere nette Sache ist die eingebaute Signalquelle. Sie kann zwei verschiedene Arten von PRN Rauschen, sowie Impulse erzeugen. Damit kann der Analyzer Amplituden und Phasenfrequenzgang (Bode Plot) von Systemen messen.

Dieses Exemplar hat übrigens die Option 1, das ist ein Magnetblasenspeicher. Ein Traum für jeden Freund der alten Computertechnik.

Nun aber zurück zu dem Exemplar, welches jetzt bei mir am Tisch steht. Gekauft habe ich ihn in den USA (wie so oft aufgrund der Preise), laut Artikelbeschreibung war er defekt. Primärsicherung fliegt immer, stand dabei. Da dachte ich mir, ok, Gleichrichter, Leistungs-MOSFET, sowas in der Richtung. Diese Fehler sind oft sehr gutmütig, die eigentliche Elektronik ist bei Geräten von dieser Qualität hervorragend geschützt und kann normalerweise keinen Schaden nehmen. Darum habe ich dann auch das kalkulierte Risiko auf mich genommen. Zum reinen Gerätepreis kam ja auch noch Versand sowie die Einfuhrabgaben, wodurch er dann nicht mehr ganz so billig war, aber immer noch sehr günstig im vergleich zu funktionierenden Geräten.
Nach ca. 1.5Wochen kam das gute Stück dann hier an. Optisch ganz hervorragend, Baujahr ca 1985, sehr gepflegt.
Ich messe also erstmal den Widerstand direkt an der Kaltgerätebuchse (natürlich mit ordnungsgemäß und höchst professionell gebrückter Sicherung, weil gerade keine zur Hand war). Kein Kurzschluss.... Als nächstes entferne ich mal die drei Netzteilplatinen und prüfe diverse Halbleiter und passive Komponenten. Unter anderem die zwei großen MOSFETs. Da ließ sich aber auch kein offensichtlicher Fehler feststellen. Der Gleichrichter am Mainboard war auch ok. Das heisst, ich muss das Netzteil im Betrieb prüfen. Also habe ich eine uralte 300W Glühlampe (ich wusste, dass ich das urige Teil nochmal brauchen würde!) in serie vorgeschaltet als Strombegrenzung. Die Zieht im normalbetrieb an 230V ca 1.5A, was ziemlich genau der vorgeschriebenen Sicherung entspricht. Also aufgebaut und Netzteil angefahren. Zuerst tat sich natürlich nichts, doch dann kam ein Klackern aus dem Gerät. Gleichzeitig sah ich, dass sich das hauchdünne und feine Metallnetz vor der Bildröhre (EMV Schirmung) im gleichen Takt etwas bewegte. Da wurde ich stutzig. Wenn das passiert, muss sich auch im HV Teil die Spannung aufbauen. Folglich kann da nicht viel kaputt sein. Ich drehte also die Spannung noch weiter rauf und als plötzlich das Klacken aufhörte, der Lüfter hochdrehte und auf der Bildröhre die Meldung "ERROR: LOW LINE VOLTAGE" erschien, da wusste ich, dass die kaputten Sicherungen in den USA einen anderen Grund gehabt haben müssen. Ich vermute, es war der Einschaltstromstoß und danach wurde womöglich eine zu schwache und/oder zu schnell auslösende Sicherung eingebaut.
Also noch mehr Spannung gegeben (die Lampe zwackt sich ja auch was ab) und letztendlich fuhr der Analyzer normal hoch und blieb auch in Betrieb. Die Messung ergab ca. 220-230V direkt am Gerät sowie 550mA Stromaufnahme. Folglich -> Alles ok. Nun fand ich in einem Tek Oszi eine passende Sicherung, die ich dann einbaute und das Gerät unter Realbedingungen am Netz testete. Funktionierte alles ganz hervorragend und ich konnte mich endlich ausgiebig mit dem Analyzer befassen.

Offenbar muss ich alle Leser, die sich auf eine spannende Fehlersuche im Schaltnetzteil gefreut haben, enttäuschen.
Lustigerweise fiel mir im Laufe des Abends aber was anderes auf. Beim Hochstarten gibt es ne Fehlermeldung, dass der NVRAM korrupt ist. Na gut, denke ich, da wird wohl die Batterie leer sein. Also im Testmenü mit Test Nr. 170 den RAM formatiert und siehe da, der Fehler ist immer noch da. Er kann keine Traces auf die Speicherplätze legen. Also musste es irgendein Problem auf der Platine A65 geben. Auf der befindet sich der CMOS RAM sowie der Magnetblasenspeicher (Bubble Memory) mit seiner Steuerelektronik. Das Durcharbeiten des Fehlersuchbaums im Handbuch ergab, dass das Problem definitiv im CMOS Teil liegen muss. Da ich keine Extenderkarte hatte, musste ich einige Leitungen anlöten um diverse Signale messen zu können.
Als erstes kamen mal die Testpunkte mit den Steuersignalen für den RAM dran. Da sah aber alles so aus wies soll. Danach fuhr ich schwerere Geschütze auf. ich fädelte mir den kompletten Adressbus des RAMs heraus. Lässt man den Testmodus Nr. 19 im Dauerbetrieb durchlaufen, greift die CPU permanent auf den RAM zu. Laut handbuch müssen alle Adressleitungen toggeln, also ihren Logikpegel ständig ändern. Tut das eine davon nicht, logisch, muss man die ICs prüfen aus denen das jeweilige Signal kommt. Das ist in dem Fall ein Latch sowie ein Puffer (Der Bus ist gemultiplext) Ich messe also dahin, jede Leitung toggelt. Bis auf A12, die bleibt auf High.
Nun hatte ich also eine Spur. Ich zog die Platine raus und wollte jetzt das entsprechende Signal am eingang des Latches abgreifen. Um Irrtümer bei der Belegung auszuschließen (es war schon spät), klingelte ich die Signalpfade durch. Dabei entdeckte ich was lustiges. Die Leitung, auf der A12 vom Bus-Puffer zum Latch "angeliefert" wird, hatte keine Verbindung. Zuerst dachte ich, ich hätte vielleicht eine andere Revision dieser Baugruppe als im Handbuch, aber eine Kontrolle ergab, dass es sich in beiden Fällen um Rev. B handelt. Ich dachte mir, vielleicht ist eine Lötstelle oder ein Via aufgegangen, wobei mir das bisher noch nie passiert ist.
Und jetzt kommt die Erfahrung ins Spiel, die man zum Glück nicht kaufen kann. Mit den Jahren entwickelt man ein Auge für kleine Unregelmäßigkeiten. Genau so eine sprang mir in dem Moment vor die Linse:

Unterbrochene Leiterbahn




Zwischen den beiden letzten Beinchen des ICs kommt sie raus. Wenn man dem Verlauf folgt, stößt man auf eine kleine Unterbrechung. Allerdings war noch ein winziges Stückchen verbunden, was aber wohl in den Jahren (oder vielleicht auch beim Transport) plötzlich aufging. Der Fehler war meiner Meinung nach eine Unsauberkeit beim Fertigungsprozess der Leiterplatte. Dreck zwischen Film und Resist, Luftblasen, man weiß es nicht. Die Platine ist natürlich durch die Funktionskontrolle gekommen, weil nach der Produktion die Verbindung da war. Solche Fehler sind sehr gemein (ausser für den Gebrauchtkäufer, der sie entdeckt, für den sind sie eine Erheiterung) und schwer zu Entdecken, zumal die Baugruppe im Werk funktioniert hat. Visuell nahezu nicht zu Entdecken, ausser man sucht danach.
Nach dem Flicken der Bahn mit Fädeldraht, verschwand der Fehler und man konnte die Traces speichern. Das ist auch wichtig, weil es für die Mathefunktionen benötigt wird, mit denen man die weiter oben erwähnten Bode-Plots erzeugen kann.


Es macht wirklich Spaß, mit dem Analyzer arbeiten. Vorallem wenn man Sachen, die man nur eher Abstrakt aus der Mathematik kennt (Fourier-Reihen, Modulationen), sozusagen "interaktiv" mit dem Messgerätepark nachstellen kann. Ich kannte das natürlich bereits von meinen HF Analyzern, aber im NF Bereich ist es auch eine spannende Erfahrung, zumal man mit dem Gerät viel feiner Auflösen kann.
Ein Freund und Kollege von mir besitzt einen Vibrationsaufnehmer, mit dem ich z.B. auch Vibrationsmessungen an den Werkzeugmaschinen durchführen möchte. Man sieht, für Audio wird der Analyzer hier eher wenig eingesetzt werden, wobei es da auch ab und zu mal Anwendungen gibt.

Vielleich habe ich mal Zeit und kann einige Spektrogramme von verschiedenen Signalen aufnehmen und hier zeigen.

Hier noch, wie gewohnt, Aufnahmen vom Innenleben:

Abdeckung weg




Steckplätze der Netzteilplatinen




Netzteilplatinen




Die eigentliche Elektronik des Analyzers




Speicherplatine. Das große Ding mit den Hex-Werten drauf ist der Blasenspeicher




Der altehrwürdige Stelltrafo




300W Glühlampe als Strombegrenzung




Unigor A40 Analogmultimeter (Stilecht für dererlei Messungen, wie ich finde)




Erster Testlauf



(C) 2017 Ing. Christoph Baumann, OE2BCL

Alle Angaben ohne Gewähr.
Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der hier gezeigten Inhalte sowie für Schäden, Folgekosten o.ä.
durch die hier beschriebenen Informationen!
Arbeiten an elektrischen Geräten aller Art dürfen nur von sachkundigen Personen durchgeführt werden!


Impressum